Vertrauen in die Entfaltungsmöglichkeiten des Lebens

„Die Liesl hat mir…!“ (aus dem Alltag einer Ermutigungspädagogin)

Das kennen wohl alle, die mit Kindern zu tun haben: Ein Kind kommt zu mir und erzählt vorwurfsvoll: „Die Liesl/der Fritz hat mir… – die Schaufel weggenommen/ mich am Rücken gestupst/ zu mir ein blödes Wort gesagt“… oder ähnliches.

Es ist gut, wenn sich Kinder beim Erwachsenen Hilfe holen! Wenn sie sich das trauen. Wenn sie merken, dass es ihnen gerade schlecht geht.

Es ist auch gut, wenn Kinder Konflikte selber lösen. Wenn sie sich das trauen. Wenn sie selbständig sind. Wenn sie merken, dass sie dazu in der Lage sind.

Für uns Erwachsene ist es gut, wenn wir merken, wann das eine, wann das andere wichtig, sinnvoll, ja eben „dran“ ist.

Wieder einmal ist unsere Intuition gefragt: Immer (wenn wir gut auf unsere kleinsten Nuancen Veränderung in uns selber achten!) fühlen wir eine Reaktion auf die Kinder-Aussage „Der/die hat mir…!“ Diese eigene Reaktion kann sein: „Ach, schon wieder… seufz“ (= genervt sein). Oder: „Mann, schon wieder hat die Liesl/der Fritz dem armen Kind was angetan!“ (= Ärger).  Oder: „Oh, Achtung – so, wie das um Hilfe anfragende Kind schaut/wirkt, braucht es schnell Hilfe. Da stimmt etwas nicht.“ Oder viele, viele andere Reaktionen.

Meistens ist es gut, einen Moment zu warten (diesen Moment kann man gut mit einem Atemzug füllen) – um in sich hinein zu spüren: Was fühle ich? Und: Was ist nun wirklich von mir gefordert?

Denn was ich nicht will: Die Liesl/den Fritz für etwas verantwortlich machen, für was sie gar nicht verantwortlich sind!  Ich will sozusagen nicht missbraucht werden, damit sich das Hilfesuchende Kind selber scheinbar aufwerten kann. Nach dem Motto: „Ha, jetzt habe ich die Liesl/den Fritz bei der Veronika angeschwärzt – jetzt geht es mir wieder besser.“ Dies bringt auf Dauer nur ein Hin- und Herschaukeln, wenn sich die Kinder nahezu unsichtbar piesacken und ärgern.

Was ich auch nicht will, ist, ein Kind, das wirklich sofortige, praktische Hilfe von mir braucht, ablehnen.

Meine Reaktionen sind also immer davon abhängig, was das fragende Kind eigentlich (= unbewusst) will: Braucht es besondere Aufmerksamkeit? Oder sofortige Hilfe? Hilfe brauchen sie in dem Fall alle: Nämlich Ermutigung.

Im ersteren Falle besteht die ermutigende Hilfe oft darin – erst mal nichts zu tun. Wenn das Kind mit seiner Frage „die Liesl hat mir…!“ kommt und ich Genervt sein oder Ärger spüre, kann ich sagen: „Ich traue dir zu, dass du das mit der Liesl/ dem Fritz alleine klärst.“ Oder: „Muss ich das wissen?“ Oder: „Aha.“

Die großen Augen und das Kind, das schnellen, sicheren Schrittes wieder abzieht, bestätigen mir, dass meine Antwort in diesem Fall richtig war. In den nächsten Minuten werden ich eine Möglichkeit, finden, dieses Kind besonders aufzuwerten und zu ermutigen (mit einem freundlichen Blick, einem motivierenden Ausruf oder einer kleinen besonderen Aufgaben, die es gerne machen möchte).

Im zweiten Fall gehe ich hin und kläre im Sinne des „Ermutigungs-Friedens-Kreises“ das Anliegen gemeinsam und gleichwertig mit den Kindern.

Veronika Seiler, Telos-Ermutigungspädagogin, Leitung Telos-Kinderhaus

Wir verwenden Cookies um unseren Besuchern eine optimale Erfahrung bieten zu können.
Weitere Details finden Sie in unserer Datenschutzerklärung. OK, bitte nicht mehr anzeigen.